Haushaltsrede FWV- Fraktion 2023
Sehr geehrter Herr Hertwig, sehr geehrte Frau Dr. Mösel werte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats liebe Neckarsulmerinnen und Neckarsulmer
Ein Jahr der schweren Entscheidungen liegt hinter uns. Mit dem Beschluss, das Freizeitbad Aquatoll mit Sauna nicht mehr zu sanieren und unter städtischer Obhut zu betreiben, war wohl das einschneidendste Ergebnis jahrelanger Beratungen und Abwägungen. Aber auch die wichtigste Entscheidung wurde getroffen. Die Verabschiedung unseres Klimaschutz-Konzeptes hat weitreichende Folgen für das Wohl unserer Stadt. Und dieses Wohl liegt uns alle sehr am Herzen. Deshalb richten wir nun unseren Blick in die Zukunft unserer Stadt und unserer Gesellschaft.
Neckarsulm ist und bleibt ein lebenswertes „Städtle“. Durch die hohe Anzahl an Arbeitsplätzen, durch die vielfältige Ansiedlung von Gewerbe, Dienstleistungen und Handwerk stehen wir auf einer guten finanziellen Basis. Firmen mit nationalen und internationalen Verflechtungen haben hier ihren Sitz. Mit unseren Ortsteilen Dahenfeld und Obereisesheim und unseren Wohnquartieren im Neuberg, in Amorbach und auf der Viktorshöhe gestalten wir den Lebensraum für fast 27.000 Einwohnern. Wir dürfen stolz auf eine integrierte und homogene Bevölkerung sein, die in Frieden und Freiheit hier zusammen leben kann. Und in unserem diesjährigen Haushalt werden alle Bereiche des Zusammenlebens abgedeckt. Wir werden uns in den kommenden Jahren mit den Themen Bildung, Klimaschutz, Mobilität und Digitalisierung weiter beschäftigen.
Bildung Durch den Neubau der Franz-Binder-Verbundschule, der weiteren Sanierung der Hermann-Greiner-Realschule und den Neubauten der Kindertagesstätten „Im Hägelich“ und Montessori (Friedenstraße) schaffen wir die baulichen Voraussetzungen, dass „Bildung“ einen entsprechenden Rahmen bekommen kann. Für uns beginnt die Bildung unserer Kinder im frühen Stadium des Lebens. Allerdings sehen wir, dass die Gewinnung von Fachpersonal in diesen Bereichen eine zentrale Rolle spielen wird. Und da steht Neckarsulm nicht alleine da. Überall werden Erzieherinnen und Erzieher gesucht. Deshalb wird unser Augenmerk auf die personelle Situation unserer KiTa´s gerichtet sein. Wir müssen unseren Eltern verlässliche
Betreuungszeiten anbieten. Wir sehen die Bemühungen unserer Verwaltung und erkennen diese auch an. Dennoch sollten wir das Thema Arbeitsplatz in Verbindung mit Wohnraum-Angebot in diesem Jahr nochmals näher beleuchten. Das Jugendreferat hat sich im vergangenen Jahr mit den Kindern der Grundschulen mit dem Thema „Demokratie“ und „Wie werden Entscheidungen getroffen?“ befasst. Das Ergebnis war der sogenannte Kindergipfel im Herbst 2022. Lassen Sie uns in diesem Jahr an der Thematik weiterarbeiten, denn diese Vorarbeit führt zu mehr Transparenz, Wertschätzung und gegenseitigem Verständnis, wenn Entscheidungen getroffen werden. Dies gilt im Kleinen genauso wie im Großen.
Klimaschutz Bei den Themen Klimaschutz, Klimarelevanz und Klimaanpassung sind alle Kommunen aufgefordert, hier entsprechende Schritte zu unternehmen. In Kioto, Paris, Glasgow, Ägypten, in Klimagipfeln, Klimakonferenzen etc. können zwar internationale Ziele definiert und angestoßen werden, aber die Umsetzung und das tägliche Anwenden beginnt bei uns. Beim Bürger und in den Kommunen. Sicherlich trägt die Industrie ihren Anteil zu einer gerechten Klimarelevanz bei und da ist bestimmt noch Luft nach oben um neue Technologien zu entwickeln. Aber auch wir sind in unserem täglichen Tun aufgefordert, den Schutz des Klimas mit zu berücksichtigen. Wir als Gemeinderat müssen die Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehört, dass in unseren Beschlüssen grundsätzlich auch die Klimarelevanz eine Rolle spielen muss. Darum möchten wir uns bei der Verwaltung ausdrücklich bedanken, dass dieser Aspekt zukünftig in allen Beschlussvorlagen Berücksichtigung finden wird. Neben dem Verzicht auf weitere Baugebiete zum Beispiel „Neuberg V“ oder „Linkes Tal“ setzen wir weiterhin auf das Thema „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ und unterstützen dieses ausdrücklich. Und durch die Entsiegelung von versiegelten Flächen gehen wir hier einen ersten, zwar sehr kleinen, aber wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Als Beispiel nenne ich hier die Neugestaltung des Richard-Wagner-Platzes und die aktuelle Neugestaltung der Stuttgarter Straße. Der Beschluss zur Errichtung von Tiny-Häusern vor einigen Tagen kann Vorbildcharakter haben und die Bebauung von brachliegenden Grundstücken zur Folge haben. Gerne hätten wir das eine oder andere schneller umgesetzt, aber auch im Kleinen lassen sich minimale Ziele erreichen. Das von uns seit einiger Zeit ins Spiel gebrachte „grüne Band durch Neckarsulm“ kann die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Innenstadt beeinflussen. Wir können dadurch das Mikroklima
selbst verändern. Und wir können private Nachahmer ermuntern, dieses auch selbst umzusetzen. Auf der BuGa in Heilbronn wurden zum Beispiel „mobile, grüne Wände“ präsentiert, die auch in Neckarsulm eine Nachahmung finden sollten. Die Baumpatenschaften können hier ebenso ein kleiner, aber wichtiger Beitrag sein. Wir sollten dieses Thema in 2023 weiter forcieren. Im Juli vergangenen Jahres haben wir zur Einsparung von Energie über 30 Maßnahmen beschlossen. Diese sind in der direkten Umsetzung. Dafür ein großes Lob an alle Beteiligte. Dennoch haben auch wir erkannt, dass manche Beschlüsse in der praktischen Umsetzung ihr Ziel nicht erreicht haben. Deshalb ist unser Gremium bereit, Beschlüsse neu zu überdenken und entsprechend zu revidieren. Trotzdem gilt unser Augenmerk den Energieeinsparmaßnahmen. Und wir müssen in diesem Jahr unsere Energierichtlinien aus 2012 nochmals auf den Prüfstand stellen. Dies soll in den nächsten Monaten durch unsere Verwaltung vorangetrieben werden. Ebenso bitten wir den Kontakt zu Herrn Frank Otto von der Johannes Schütze AG zu intensivieren um über innovative Ideen nachzudenken, wie wir in Zukunft erneuerbare Energien zielgerichtet einsetzen können. Durch diese Kooperation, die wir im Oktober 2021 abgeschlossen haben, sollte auch das Thema Agri-Photovoltaik angegangen werden. Auch am Thema Windenergie auf Neckarsulmer Gemarkung werden wir nicht vorbeikommen, wenn wir die Energiewende schaffen wollen und auch ernst nehmen.
Mobilität Ähnliches gilt auch bei der Mobilität. Die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist uns schon lange ein besonderes Anliegen. Wir als Stadt müssen hier Vorreiter sein. Mit der Einführung der Expresslinien, dem 1,2,3 Ticket und dem barrierefreien Umbau aller Haltestellen zeigen wir unsere Bereitschaft dazu. In diesem Jahr wird unser Stadtbusverkehr neu ausgeschrieben. Mit der Einrichtung eines City-Hoppers (elektrisch betrieben) und veränderten Linienführungen werden wir diese Stärkung des ÖPNV vorbildlich umsetzen. Wir erwarten dadurch eine bessere Auslastung unserer Buslinien. Dies alles gibt es natürlich nicht zum Nulltarif. Wir haben entsprechende Mittel im diesjährigen Haushalt eingestellt. Im Rahmen der Mobilität werden wir auch unser Radwegenetz weiter ausbauen. Neckarsulm kann dadurch zu einer fahrradfreundlicheren Stadt werden. Zubringer-Wege, Basis- und Pendlerrouten müssen jedoch noch stärker beworben und ins Bewusstsein der Bürgerschaft eindringen. Gelder stehen nicht nur im städtischen Haushalt dazu bereit, sondern auch unsere Landesregierung fördert diesen Ausbau. Wir werden hier
das Engagement unseres Tiefbauamtes weiter verfolgen. Auf unseren Straßen bemerkt man bereits heute schon eine Zunahme des Radverkehrs. Diese Zunahme und die Stärkung des ÖPNVs müsste dann letzten Endes eine Abnahme des motorisierten Individualverkehrs (MIV) nach sich ziehen. Und das wollen wir anstreben. Durch die Abnahme des MIV und durch das veränderte Arbeitsleben (Homeoffice, mobiles Arbeiten etc.) können wir aus unserer Sicht auch auf den Ausbau der B27 von der Anschlussstelle A6 zum „Amorbachknoten“ verzichten. Gemeinsam mit der Fraktion der Grünen haben wir im Sommer letzten Jahres dies klar in unserem Antrag zu dieser Thematik formuliert. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse des Regierungspräsidiums (RP), die uns hoffentlich bald präsentiert werden. Auch durch die Expertise von Frau Dr. Bremer erwarten wir innovative Vorschläge, wie in unserer Region die Pendlerverkehre besser organisiert und gelenkt werden können. Ebenso müssen intelligente Ampelschaltungen in diese Betrachtungen einfließen. Mit der Einführung der Parkgebühren verfolgen wir eine Lenkung der Innenstadtverkehre. Wir bitten die Verwaltung bis Mitte des Jahres uns eine Evaluation dieser Thematik vorzustellen.
Digitalisierung Beim Thema Digitalisierung haben wir im vergangenen Jahr vieles umgesetzt. Die Einführung der neuen Homepage, das ansprechende, dynamische Logo mit den beiden Wellen und dem Schriftzug „Neckarsulm – Stadt voller Leben“ und dem Besucherleitsystem im Rathaus ist die äußere Darstellung sehr gelungen. Die Bereiche Social Media und Öffentlichkeitsarbeit erfordern weitere Personalstellen-Anteile, um die entsprechenden Informationen für die Bürgerinnen und Bürger ansprechend und zielgerichtet zu veröffentlichen. Dadurch schaffen wir Transparenz und können besser und schneller informieren. Auch Entscheidungsprozesse können dadurch zum besseren Verständnis bei der Bürgerschaft beitragen. Es muss Ziel werden, dass die Einwohner auf den einen oder anderen „Behördengang“ verzichten können und über den digitalen Austausch ihr Anliegen in der Verwaltung umgesetzt bekommen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass dies barrierefrei ist und für Menschen, die nicht so sehr technisch versiert sind, gestaltet und nutzbar wird. Hier stehen wir bestimmt erst am Anfang einer Entwicklung, die zum Wohle aller Beteiligten beiträgt. Darum ist das für uns ein unverzichtbares Element einer modernen Verwaltung.
Wir erkennen auch, dass die „hohe Politik“ im Land und auf Bundesebene immer mehr Aufgaben in die örtliche Verwaltung delegieren und auf eine rasche Umsetzung bestehen, ohne dabei die Rahmenbedingungen genau festzulegen. Zum Beispiel bei der neuen
Wohngeldreform. Hier werden jetzt schon zusätzliche Stellen in der Kernverwaltung benötigt, um die zusätzlichen Anträge zeitnah bearbeiten zu können. Bei der Grundsteuerreform werden wir Ähnliches erleben. Das vereinfachte Verfahren von Bauanträgen wird seine Spuren hinterlassen, ebenso der Zuzug (die Zuweisung) von weiteren geflüchteten Menschen. Und so könnte die Liste der zusätzlichen Aufgaben fortgeführt werden. Unsere Verwaltung ist an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Der Fachkräftemangel (in allen Bereichen) ist bei uns nicht spurlos vorübergegangen. Deshalb muss unser Augenmerk auf der Konsolidierung unserer Aufgaben gerichtet sein. Den Bestand unserer Kultureinrichtungen und die weitere Ausrichtung auf die Bürgerwünsche ist unser Ziel. Die Haltung unseres motivierten Personals ist genauso wichtig wie die Besetzung der offenen Stellen. Hier wissen wir die Bemühungen unserer Personalabteilung sehr zu schätzen. Im vergangenen Jahr haben wir als Gemeinderäte gezeigt, dass in den Querschnittsaufgaben noch Stellen bzw. Stellenanteile geschaffen werden müssen, um die Aufgaben für alle Beteiligten bewältigbar zu machen. Und diese schlagen sich im vorliegenden Haushalt 2023 nieder. Dabei geht es auch um Fachkräfte in den technischen Ämtern.
Ganz zum Schluss möchte ich unsere Meinung zur Generalsanierung der Ballei darstellen. Nach der Sanierung des Hallenbodens, der Sanierung der Bowlingbahn und dem provisorischen Errichten des Eingangsbereichs werden wir einen weiteren Sanierungsverlauf unserer Sport- und Kultureinrichtung befürworten. Wir wollen und können es uns nicht vorstellen, dass diese zentrale Einrichtung an einer anderen Stelle angesiedelt wird. Auch wenn die finanzielle Darstellung einer Generalsanierung recht hohe Dimensionen annimmt, so halten wir es dennoch für vertretbar, diese Sanierung in mehreren Teilabschnitten weiterzuführen. Eine „ordentliche“ Gastronomie gehört zum Betrieb der Ballei ebenfalls dazu. Hier sollten wir in diesem Jahr die weiteren Schritte in die Wege leiten, so dass wir wieder mit Stolz auf ein architektonisches und markantes, aber auch funktionales Gebäude in Neckarsulm blicken können.
Mit einem Appell an uns alle möchte ich unsere Haushaltsrede 2023 beschließen: Lassen Sie uns gemeinsam die vor uns liegenden Aufgaben angehen, um die Entwicklung unserer Stadt zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger voranzutreiben.
Ein herzlicher Dank geht an unseren Kämmerer mit seinem Team für die Aufstellung des Haushalts 2023, an die Spitze unserer Verwaltung, Herrn Hertwig und Frau Dr. Mösel sowie an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ämtern für die Bereitschaft und das Engagement, unsere Beschlüsse in die Tat umzusetzen. Ein besonderer Gruß geht an unsere Neckarsulmer Bürgerinnen und Bürger, die unsere Beschlüsse oftmals mit kritischem Blick hinterfragen. Dabei sind wir gerne bereit, Fragen im direkten Dialog zu erörtern, um so zu einem demokratischen Meinungsaustausch zu kommen.
Wir stimmen dem Haushalt 2023 und den Wirtschaftsplänen unserer Eigenbetriebe einstimmig zu.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Uli Bertok, JoJo Eble, Heidrun Höpfer, Bernd Kuhn - Fraktion der FWV, 24.01.2023