HH-Rede 2019 FWV-Fraktion
Verehrte Bürgerinnen und Bürger
„Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen.“ ( Peter Ustinov)
Jetzt müssen wir handeln, jetzt werden unsere Entscheidungen in 10 Jahren Ergebnisse hervorbringen, die unsere nachfolgende Generation loben oder tadeln werden. Jetzt haben wir noch das Heft in der Hand und können steuern und handeln. Aber dieses „Jetzt“ zerrinnt von Tag zu Tag, von Woche zu Woche…
Mit diesem Haushalt werden wir erstmals die Kameralistik verlassen und in die Doppik einsteigen. Für viele von uns werden die Darstellung und das Zahlenwerk unserer Finanzen grundlegend anders aussehen. Aber das Ergebnis bleibt dennoch dasselbe. Wir leben von unserer Substanz und können dem Grunde nach keinen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. So einfach wie dieser Nenner auch aussehen mag, es ist doch etwas komplexer, wenn wir nun in den Haushalt 2019 einsteigen.
Unsere vorherrschenden Themen im vergangenen Jahr waren das Aquatoll, der B27Anschluss an die Binswanger Straße, die Personalkosten und die Weiterentwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten. Der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen - insbesondere der Bedarf in Amorbach - wurde besprochen, der Ausbau der Hermann Greiner Realschule (HGR) wurde in Angriff genommen und die Verbundschule wurde durch unser Schul-, Kultur- und Sportamt in Zusammenarbeit mit den Schulleitungen zur Genehmigung an das Kultusministerium auf den Weg gebracht. Und genau diese Themen werden uns auch in diesem Jahr und in den folgenden beschäftigen. Aber nicht nur diesen Themen darf unsere Aufmerksamkeit gelten, sondern wir müssen uns vorrangig am Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger orientieren.
Wir haben mehrheitlich beschlossen, das Aquatoll zu erhalten, da es maßgeblich dem Wohl der Bürger dient. Im vergangenen Jahr haben wir ein Seniorenkonzept beschlossen, wir haben ein Parkraumkonzept in Auftrag gegeben und teilweise darüber diskutiert. Wir haben der Musikschule, der Volkshochschule, der Mediathek und unseren Museen eine Richtschnur an die Hand gegeben bzw. haben diese von den Einrichtungen selbst erarbeiten lassen. Hausmeisterkonzept, Verbundschule und Zentrales Gebäudemanagement sind Themen, denen wir uns angenommen haben. Wir haben uns von externen Beratern Unterstützung eingeholt. Nun liegt es aber auch an uns bzw. an der Verwaltung, diese Konzepte einer Realisierung zuzuführen.
In unserer letzten HH-Rede haben wir die Verwaltung gebeten Möglichkeiten aufzuzeigen, wie bezahlbarer Wohnraum in Neckarsulm erstellt werden kann. Diese Bitte möchten wir auch in diesem Jahr wiederholen. Denn in Neckarsulm fehlt eindeutig Wohnraum, es fehlt auch bezahlbarer Wohnraum. In diesem Zusammenhang bitten wir zu untersuchen, ob durch eine engere Zusammenarbeit mit der Heimstätte oder anderen Wohnbaugesellschaften dieses Ziel erreicht werden kann.
Es sollte untersucht werden, ob städtische Grundstücke im Rahmen von Erbbaurecht an Investoren abgegeben werden können mit dem Ziel einer Mietpreisfestschreibung. Uns ist bewusst, dass wir in Neckarsulm die verfehlte Wohnungsbaupolitik des Bundes und der Länder nicht korrigieren können, aber wir können Akzente setzen und möglicherweise dadurch Einfluss auf Wohnbauförderprogramme nehmen. Einige brachliegende Grundstücke, insbesondere im Bereich Neuberg, könnten dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Dazu bitten wir die Verwaltung in diesem Jahr mit den in Frage kommenden Eigentümern in persönlichen Kontakt zu treten mit dem Ziel, hier weitere Innenflächen für Wohnraum zu gewinnen.
Im Bereich der Mobilität haben wir durch eine weitere Personalstelle (Mobilitätsmanagerin) im vergangenen Jahr die richtigen Weichen gestellt. Aber das ist nicht ausreichend. Der ÖPNV muss noch attraktiver gestaltet werden, damit der Umstieg vom Individualverkehr auf den öffentlichen Verkehr besser gelingen kann. Dazu haben wir im November des vergangenen Jahres Verbesserungsvorschläge genannt, die wir in diesem Jahr unbedingt geprüft haben möchten. Ebenso sollen diese Verbesserungen auch in der Ausschreibung zum ÖPNV Berücksichtigung finden. Verkehrsminister Winfried Hermann wird Ende März erste Ergebnisse des Mobilitätspaktes vorstellen. Dazu gehört sicherlich auch der Radschnellweg von Bad Wimpfen nach Heilbronn. Für uns muss dies ein Anlass sein, dass wir die Zuführungen zu diesem Schnellweg überarbeiten und auch in naher Zukunft umsetzen. Wir denken dabei auch an die geplante Unterführung für Radfahrer und Fußgänger beim ehemaligen Bahnübergang. Ebenso möchten wir daran erinnern, dass wir im Bereich des Bahnhofs noch ein paar Fahrradboxen aufgestellt haben wollen. Diese Boxen sollen nach der endgültigen Fertigstellung des Hotels auf der Ostseite der Bahnanlagen ihren Platz finden.
Nach wie vor leisten wir uns als Kommune neben den Pflichtaufgaben viele freiwillige Leistungen, die neben Personalressourcen auch unseren Haushalt in finanzieller Sicht belasten. Diese Aufgaben müssen in diesem Jahr auf den Prüfstand gestellt werden, denn jetzt können wir noch steuern. Wenn sich unsere finanzielle Situation nicht ändert, wird es mittelfristig keinen genehmigungsfähigen Haushalt mehr geben. Deshalb bitten wir die Verwaltung, auch in diesem Jahr das Augenmerk auf strukturelle und organisatorische Veränderungen in der Kernverwaltung zu richten.
Mit der Errichtung von 10 Messstellen, die den Stickoxidgehalt in der Luft messen, haben wir in einer freiwilligen Maßnahme die Messung der Luftqualität in eigener Regie beauftragt. Wir erwarten bis Mitte des Jahres erste Ergebnisse, die nicht nur hier im Gemeinderat vorgestellt werden sollen, sondern auch der Öffentlichkeit über die Homepage der Stadt Neckarsulm zur Verfügung gestellt werden sollen. Hierzu bitten wir die erforderlichen Schritte rechtzeitig in Angriff zu nehmen.
Diese Messwerte zu veröffentlichen gehört für uns genauso zur Digitalisierung der Verwaltung wie die transparente Darstellung der Beschlussvorlagen und der Ratsprotokolle. Wir bitten darum, dass in diesem Jahr durch die Einführung der digitalen Ratsarbeit auch für den Bürger ein Mehrwert, was Beschlussvorlagen, Protokolle und Beschlüsse im Gemeinderat angeht, erreicht wird. Ebenso soll durch eine weitere Untersuchung festgestellt werden, welche Behördengänge auch digital erledigt werden können, um so für den Bürger als auch für die Verwaltung eine Vereinfachung zu erreichen.
Mit einer Veröffentlichung der Verrechnung von Bauhofleistungen für Vereine haben wir im vergangenen Jahr viele Vereinsvertreter und ehrenamtlich tätige Menschen aufgeschreckt. Dass nicht alle Leistungen für Vereine kostenfrei durch den Bauhof erbracht werden können, sehen wir auch so. Wir forderten auch schon lange die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) im Bauhof ein. Damit können wir dann richtig erkennen, wo und in welchem Umfang Leistungen im freiwilligen Bereich geleistet werden. Das Ergebnis dieser KLR muss aber vorher im Gemeinderat vorgestellt und diskutiert werden, um eine einheitliche Vorgehensweise abzustimmen, so dass dann eine mögliche Verrechnung frühestens in 2020 umgesetzt werden kann.
In der Investitionsliste für 2019 sind viele Baumaßnahmen, die in diesem Jahr zur Abrechnung kommen. Es werden ebenso auch neue Vorhaben begonnen. Ich denke da an die Erweiterung der KiTa Lautenbacher Straße, die Sanierung der TG in der Sonnengasse oder an die Gesamtsanierung der Sulmdole und des Auslaufbauwerks. Dennoch sollten wir auch in unsere Gemeindestraßen investieren. Die Friedrichstraße zwischen Heilbronner Straße und Johannes-Häußlerschule ist in einem schlechten Zustand. Genauso die Hohenloher Straße zwischen Bauhaus-Kreisel und Carmauxstraße. Die Gymnasiumstraße ist ebenso in Mitleidenschaft gezogen wie die Eugen-Bolz-Straße in Amorbach. Wir fordern die Verwaltung auf, in diesem Jahr eine Bestandsaufnahme aller Gemeindestraßen durchzuführen, den erforderlichen Sanierungsbedarf zu benennen und in einer Prioritätenliste festzuhalten. Wir schlagen vor, dass in den folgenden Haushalten jährlich ein bestimmter Betrag für Straßensanierungen einzuplanen ist und dass diese Sanierungen nach Dringlichkeiten festgelegt und umgesetzt werden.
Sicherlich wird der 4-spurige Ausbau der B27 zwischen dem Autobahnkreuz und dem Kreuzungsbauwerk Nord (Abzweig nach Amorbach / Neuenstadt) und die Anbindung der Binswanger Straße an die B27 in der Bevölkerung zu weiteren Diskussionen führen und Meinungsverschiedenheiten hervorrufen. Den Wegfall der Halbanschlüsse (Neuenstädter Straße und Spitalstraße) können wir uns nicht vorstellen. Denn durch diesen Wegfall wird zwangsläufig der Verkehr in die Wohngebiete umgeleitet. Und das kann nicht in unserem Sinne sein. Wir wünschen uns jedoch, dass sich diese Diskussionen nicht zu einer Spaltung innerhalb der Bevölkerung entwickeln. Daher ist es für uns ganz besonders wichtig, dass ein vertrauensvolles Miteinander mit der Bürgerinitiative und der Verwaltung, dem Regierungspräsidium und dem Gemeinderat gelebt wird. Nur durch einen konstruktiven Dialog kann es gelingen, das Optimale für uns und unsere Stadt zu erreichen. Dazu gehört aber auch Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. In internen Gesprächen wurden schon entsprechende Ansätze gefunden, die weiter ausgebaut werden müssen.
Mit der Schaffung und der Ausschreibung einer Stelle im City- bzw. Stadtmarketing erhofft man sich neue Impulse, um die Innenstadt zu attraktiveren und Leerstände zu vermeiden. Wir erhoffen uns auch eine Stärkung des Images der Stadt Neckarsulm nach außen. Ebenso soll in den Aufgabenbereich dieser Stelle die Koordination für das 1250-jährige Jubiläum aufgenommen werden. Wir haben uns mit der Schaffung dieser neuen Stelle schwergetan und bitten die Verwaltung die Aufgaben, die erledigt werden sollen, noch näher zu definieren und bei der Ausschreibung zu berücksichtigen.
Mittelfristig können wir keinen ausgeglichenen Haushalt abbilden. Daher halten wir es für zwingend, dass nach der Kommunalwahl mit dem neuen Gemeinderat eine Finanzklausur durchgeführt wird mit dem Ziel, eine strukturelle und strategische Zielplanung für Neckarsulm zu erstellen. Den Vorschlag zur Reaktivierung der Haushaltskommission wollen wir nochmals aufgreifen und die Verwaltung um eine klare Stellungnahme dazu bitten. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass unser gemeinsames Ziel ein auf Dauer ausgeglichener Haushalt sein muss.
Im Wirtschaftsplan der Stadtwerke sind Investitionskosten für die Erweiterung unseres Wärmenetzes und den Wegfall der Heizzentrale in der Spitalstraße vorgesehen. Und mit dem Einstieg der Stadtwerke in den Stromvertrieb bieten wir für die Bürger unserer Stadt ein erweitertes Produktportfolio an. Wir sind der Meinung, dass wir dadurch mit den Stadtwerken auf einem guten Weg sind.
Der Eigenbetrieb Aquatoll mit seiner Bäderlandschaft (Freizeitbad, Sportbad, ErnstFreyer-Bad) erfährt durch die Einstellung eines neuen Leiters und durch die Untersuchungen und Planungen für die weitere Zukunft eine Aufwertung. Wir wünschen uns, dass dadurch in der Bevölkerung ein Mehrwert in der Freizeitgestaltung, der Gesundheitsvorsorge und der sportlichen Aktivitäten erreicht und auch als solcher anerkannt wird. Aber immer in dem Bewusstsein, dass das nicht zum Nulltarif umgesetzt werden kann.
Wo wollen wir als Kommune in 5 – 10 Jahren stehen und welche Akzente wollen wir in der Region setzen? Mit diesem Thema soll sich nach der Kommunalwahl der Gemeinderat intensiv beschäftigen. Als Ergebnis sollten dabei ein Leitbild und eine Strategie entwickelt werden, die wir den Bürger auch gut vermitteln können. Wir halten es für wichtig, dass die Bürgerbeteiligung dabei nicht zu kurz kommen darf.
Mit der Umstellung von Kameralistik auf Doppik hat unsere Kämmerei eine gewaltige Aufgabe gemeistert. Daher gilt Ihnen, Herr Kaufmann, und ihrem Team ein besonderes Lob und ein herzliches Dankeschön. Wir als Gemeinderäte müssen uns mit dieser „anderen“ Darstellungsform noch stärker befassen und umgewöhnen.
Für den konstruktiven Umgang mit den vielen Sachthemen im vergangenen Jahr möchten wir uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, bei Ihnen Herr Oberbürgermeister Hertwig, bei Ihnen Frau Baubürgermeisterin Dr. Mösel und bei unseren Ratskolleginnen und -kollegen herzlich bedanken.
Zu den ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern sagen wir Danke für ihr Engagement. Denn ohne das Engagement vieler einzelner Menschen kann unser Gemeindeleben nicht funktionieren. Diese Arbeit ist wichtig. Auch im Hinblick auf die Kommunalwahl im Mai 2019 bitten wir alle Wahlberechtigten, ihr Grundrecht auf freie, demokratische und ordentliche Wahlen in Anspruch zunehmen und wählen zu gehen.
Wir stimmen dem Haushalt 2019 und den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe einstimmig zu.
Für die FWV-Fraktion JoJo Eble, Ingrid Böhringer, Bernd Kuhn
Neckarsulm, den 28.02.2019